Donnerstag, 5. Juli 2012

Verbunden sein

Das Internet ist hilfreich, keine Frage. Unendlich viele Möglichkeiten bieten sich da an: wir können uns zu jedem Thema vertiefen, uns informieren, dazu lernen, chatten, spielen etc. Das Internet kann aber auch vieles verhindern. Im Magazin Nr. 26 vom 30.6.12 wird eine Spezialistin, die Soziologin und Professorin Sherry Turkle hierzu interviewt. Sie forscht seit den 90er Jahren welche Auswirkungen die vernetzte Welt auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene hat. Heute wird viel mehr via SMS, Mails, Smartphones etc. kommuniziert. Ihr ist aufgefallen, dass mit diesen neuen Techniken das normale Gespräch viel seltener geworden ist. Sie sagt ganz klar, dass soziale Fähigkeiten geübt werden müssen. Kinder müssen einander ins Gesicht sehen können, weil sie sonst nicht lernen, eine Konversation zu führen, geschweige denn zu verhandeln oder herauszufinden, wie man sich in einer Gruppe wohlfühlen kann. Die Technik ist bereits ein Teil von vielen Jugendlichen geworden. Sherry Turkle sagt Folgendes: "Smartphones befriedigen drei Fantasien: dass wir uns immer sofort an jemanden wenden können, dass wir immer angehört werden und dass wir nie allein sind." Dies wiederum führt zum Problem, dass viele nicht mehr alleine sein können. Nur schon Facebook suggeriert, dass es möglich ist, hunderte oder gar tausende von Freunden zu haben. Nur: was ist die Definition von Freundschaft? Und: Es ist auch weniger "gefährlich" sich per SMS oder Mail zu begegnen. Hier wird oft retuschiert und redigiert. Man zeigt nur das von sich, was auch kontrolliert werden kann. 
Wer dauernd im Netz ist, kann das Gefühl gewinnen, mit der ganzen Welt verbunden zu sein und dabei viel zu erleben. Der Preis dafür ist, dass nur wenig Raum für das Nachdenken, für die Selbstreflexion sowie für die eigene Kreativität bleibt. 
Wer sich direkt sieht, kann nicht so tun "als ob": Man trifft den ganzen Menschen, mit der eigenen Stimme, mit dem eigenen Aussehen, mit Macken und Liebenswürdig-keiten, mit allem, was zu einem gehört. Jeder Mensch möchte das Gefühl haben, dazu zu gehören.

Ich denke jetzt an eine ehemalige Klientin, eine junge alleinerziehende Mutter. Sie geht nur aus dem Haus, wenn sie absolut muss: "Ich finde es viel angenehmer im Chatroom. Hier kann ich so tun, als ob ich ok bin, hier kann ich flirten und Witze machen. Wenn ich auf dem realen Spielplatz draussen bin, fühle ich mich minder-wertig, weil ich so zugenommen habe, weil ich mich mit den Kindern überfordert fühle, weil die anderen Mütter alles so viel besser können als ich. Das kann ich doch nicht zugeben!"
- Wie sehr wünsche ich dieser jungen Frau, dass sie den Mut gewinnen könnte, wieder sie selber zu sein. Vielleicht findet sie mit der Zeit einen Weg zurück in die Gemeinschaft, ich wünsche es ihr sehr. 

Fazit: Das Internet ist hilfreich, deshalb sollten wir es unbedingt nutzen, aber vielleicht kontrollierter. Wir sollten darauf achten, im Alltag auch echte und nicht ausschliesslich virtuell vermittelte Begegnungen zu machen.  

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