Montag, 30. Juli 2012

Gerald Hüther

                     Prof. Dr. Gerald Hüther
"Wir müssen nicht so bleiben, wie wir sind - wir können über uns hinauswachsen: Diese zuversichtliche Botschaft verkündet Deutschlands bekanntester Hirnforscher, der Neurobiologe
Prof. Dr. Gerald Hüther.
Das menschliche Hirn ist nicht für immer vorprogrammiert, es bleibt bis ins hohe Alter formbar. Hüther erklärt, warum Kreativität und Begeisterung der beste Dünger fürs Gehirn sind - und wie wir die in uns angelegten Möglichkeiten entfalten können."

Das Gespräch mit Gerald Hüther ist zu hören auf DRS2.
Es lohnt sich!

Montag, 16. Juli 2012

Menschen gesucht!

Kürzlich kam dieser Seufzer von einer befreundeten Fachkollegin, die auf Stellensuche ist: "Meistens, wenn ich meine, die passende Stelle gefunden zu haben, steht vermerkt 'Auf Grund der Teamkonstellation werden Männer bevorzugt'. In den psychosozialen Berufen haben die Frauen bald keine Chance mehr".  

In unserer gleichstellungsbemühten Zeit macht diese Aussage ein bisschen nachdenklich. Es ist zwar so, dass es in den Kindergärten, in der Primarschule und im psychosozialen Beratungssektor sehr viel weibliches Personal hat. Es ist daher verständlich, dass mehr Männer für solche Stellen gesucht werden. Andererseits werden Frauen nicht unbedingt ausdrücklich gesucht, wenn es um freie Stellen in der Wirtschaft geht. Man sucht sprachlich korrekt, z.B. nach Geschäftsleiter/-in, nach einer Persönlichkeit oder nach einer Fachperson für die Gesamtverantwortung für XY. Bei diesen Stellen steht in der Regel nichts von 'Frauen werden auf Grund der Teamzusammensetzung bevorzugt'.  
Wie wohltuend, als ich dann ein Inserat der Uni Basel mit dem folgenden Wortlaut entdeckte: 'Die Universität Basel ist bestrebt, den Frauenanteil bei den Professuren zu erhöhen und ist deshalb an Bewerbungen von Frauen besonders interessiert'. Und gleich daneben ein Inserat der Uni Bern. Auch hier wird die Erhöhung des Frauenanteils in den akademischen Führungspositionen angestrebt, weshalb Wissenschaftlerinnen nachdrücklich aufgefordert werden, sich zu bewerben.
In Norwegen gibt es die Quotenregelung (unter Google fand ich soeben 70'500 Ergebnisse hierzu!). In einem Aufsichtsrat muss es mindestens 40% Frauen bzw. Männer haben. So verlangt es das geschlechtsneutrale Gesetz.  
Wie wunderbar wäre es, wenn es auf allen beruflichen und gesellschaftlichen Gebieten normal werden könnte, dass Menschen einfach tätig sind, unabhängig vom Geschlecht.  

PS
Im Frühsommer nahm ich an zwei Kongressen teil. An beiden Orten war ca 80% der Zuhörerschaft weiblich. Auf den Podien standen dann aber meistens Männer.

Sonntag, 15. Juli 2012

Darf ich mich als Psychologin empören?

Schon wieder wird thematisiert, wie eine Institution wie die Katholische Kirche Menschen Unrecht getan hat. Im Tagesanzeiger vom 26. Juni 2012 berichtet WN davon, wie er als Kind und Jugendlicher im Kloster Fischingen in Thurgau aufs Gröbste misshandelt wurde. Nach vielen Jahren schaffte er es jetzt an die Öffentlichkeit zu gehen und von diesen schrecklichen Erlebnissen zu erzählen. Auch am 12. Juli 2012 wird im Tagesanzeiger berichtet: Ein weiterer Betroffener erzählt von seinen Erlebnissen im damaligen Kinderheim in Fischingen. Gemeinsam für die Betroffenen ist, dass es schwierig sei, Unterstützung für ihr erlittenes Unrecht zu erfahren. So geht das Kloster Fischingen auch nur zögerlich ihre Geschichte an: Weder eine Entschuldigung noch finanzieller Schadenersatz für die Betroffenen seien vorläufig vorgesehen. Klosterdirektor W. Ibig sagt klar: "Wenn wir Geld anbieten, ist das letztlich juristisch so etwas wie eine Schuldanerkennung". Die kollektive Aufarbeitung der Geschichte sei für sie schwierig.
In vielen Klostern, Kirchen, Schulheimen und Internaten sind Verbrechen an Kindern und Jugendlichen verübt worden. Das Kloster Einsiedeln z.B. hat angefangen, deren Geschichte aufzuarbeiten. Abt Martin Werlen zeigte sich in einem Zeitungsartikel erschreckt von den vielen Missbrauchsfällen. Seit all dies bekannt geworden ist, setze sich die Klostergemeinschaft intensiv damit auseinander.

Dürfen sich Psycholog/-innen über Missstände aufregen?
Mit Hilfe psychologischer Theorien lässt sich zwar vieles erklären und intellektuell verstehen; Missstände tolerieren jedoch, müssen auch Fachleute nicht. Vieles ist tatsächlich fast nicht zum Aushalten.

Freitag, 6. Juli 2012

Wer holt was in erholsamen Ferien?

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Vor einiger Zeit war ein Paar bei mir in der Praxis. Sie planten gerade ihre Ferien und wussten beide, sie wollten es anders haben als letztes Jahr.
Letztes Jahr waren die Ferien wie folgt verlaufen:
Sie wollten mit den Kindern campen gehen. Sie besprachen im Voraus, dass sie alle frei haben, dass sie etwas anderes als im Alltag erleben, dass sie ungezwungen und spontan sein, und dass sie tolerant und freundlich miteinander umgehen wollten. Alle waren einverstanden. 
Sie versuchten dann all dies umzusetzen. Nur, sie hatten nicht im voraus besprochen, wer Lebensmittel einkaufen sollte, jeweils Frühstück zubereiten, den Inhalt des Tagesrucksacks vorbereiten und auch packen, usw. Als die Frau realisierte, dass sie 100% Mutter und Tagesorganisatorin sein musste, weil es sonst niemand machte, wurde sie verständlicherweise zunehmend sauer. Sogar wenn sie zusammen an den Strand gingen, war der Mann schon längst im Wasser, bevor sie überhaupt fertig war (Kinder eincremen, Strandtücher verteilen, Stachel aus Fusssohle entfernen...). Sie wollte keine Ferien, die nur an einem anderen Ort stattfanden, aber sonst genau gleich waren wie zu Hause. Ihr Mann brachte zunächst kein Verständnis für ihr Klagen auf. Er setzte für sich um, was sie vor den Ferien besprochen hatten. Er ging biken und Tennis spielen. Und dies mit bestem Gewissen, gerade weil sie es besprochen hatten! Nach einer weiteren  Auseinandersetzung vereinbarten sie, abwechslungsweise die Tagesverantwortung zu übernehmen. Die Frau war glücklich. Sie machte für sich einen halben Lesetag in der Hängematte und ging dann ins nahe gelegenen Städtchen eine kleine Entdeckungstour machen. 
Am Abend dann erfuhr sie von den vergessenen Wasserflaschen, von Tochters Sonnenhut, der weg war, stattdessen war ein heftiger Sonnenbrand da. In der Nacht darauf waren sie oft wach. Der Mann machte ihr Vorwürfe. Sie hätte doch alles parat legen können. Sie hätte ihm doch erklären können, dass er die Kinder mehr als einmal eincremen sollte, dass er das Essen hätte mitnehmen müssen, weil kein Kiosk weit und breit! Jetzt waren beide sauer. 

Was hätten die Beiden anders tun sollen? Vereinbarungen treffen ist wichtig, aber sie müssen konkreter sein, als es unser Beispielpaar gemacht hat. Im Alltag ist das meiste eingespielt, in den Ferien dagegen herrscht oft eine Art Ausnahmezustand; hinzu kommt, dass die Erwartungen an die Erholungszeit zu hoch sind. Umso wichtiger können konkrete Regeln und Listen sein, gerade für den Elternteil, der im Alltag nicht die Hauptverantwortung trägt. Eine Checkliste für den Tagesrucksack oder die Strandtasche kann viel Ungemach vorbeugen. 
Für Mann und Frau heisst es ebenfalls sich gegenseitig Freiräume zu gewähren, gerade wenn die Vorstellungen von der Feriengestaltung unterschiedlich sind.

Muss auch wirklich alles perfekt sein? Vielleicht sieht der Frühstückstisch in der Ferienwohnung anders aus, wenn ihn ein anderes Familienmitglied als im Alltag vorbereitet? Es kann nützlich sein, hin und wieder die unterschiedliche Art und Weise von Ordnung und Auswahl, Prioritäten etc. auszuhalten. (Dies gilt übrigens auch für den Alltag zu Hause).

Auch können die wichtigen W-Fragewörter sehr wertvoll sein: Wer möchte was tun? Wann? Wo? Mit Wem? Wie lange? Fragen stellen heisst auch interessiert zu sein. Je mehr Information fliesst, umso seltener werden Missverständnisse und Enttäuschungen. 

Viel Glück und schöne Ferien!

Donnerstag, 5. Juli 2012

Verbunden sein

Das Internet ist hilfreich, keine Frage. Unendlich viele Möglichkeiten bieten sich da an: wir können uns zu jedem Thema vertiefen, uns informieren, dazu lernen, chatten, spielen etc. Das Internet kann aber auch vieles verhindern. Im Magazin Nr. 26 vom 30.6.12 wird eine Spezialistin, die Soziologin und Professorin Sherry Turkle hierzu interviewt. Sie forscht seit den 90er Jahren welche Auswirkungen die vernetzte Welt auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene hat. Heute wird viel mehr via SMS, Mails, Smartphones etc. kommuniziert. Ihr ist aufgefallen, dass mit diesen neuen Techniken das normale Gespräch viel seltener geworden ist. Sie sagt ganz klar, dass soziale Fähigkeiten geübt werden müssen. Kinder müssen einander ins Gesicht sehen können, weil sie sonst nicht lernen, eine Konversation zu führen, geschweige denn zu verhandeln oder herauszufinden, wie man sich in einer Gruppe wohlfühlen kann. Die Technik ist bereits ein Teil von vielen Jugendlichen geworden. Sherry Turkle sagt Folgendes: "Smartphones befriedigen drei Fantasien: dass wir uns immer sofort an jemanden wenden können, dass wir immer angehört werden und dass wir nie allein sind." Dies wiederum führt zum Problem, dass viele nicht mehr alleine sein können. Nur schon Facebook suggeriert, dass es möglich ist, hunderte oder gar tausende von Freunden zu haben. Nur: was ist die Definition von Freundschaft? Und: Es ist auch weniger "gefährlich" sich per SMS oder Mail zu begegnen. Hier wird oft retuschiert und redigiert. Man zeigt nur das von sich, was auch kontrolliert werden kann. 
Wer dauernd im Netz ist, kann das Gefühl gewinnen, mit der ganzen Welt verbunden zu sein und dabei viel zu erleben. Der Preis dafür ist, dass nur wenig Raum für das Nachdenken, für die Selbstreflexion sowie für die eigene Kreativität bleibt. 
Wer sich direkt sieht, kann nicht so tun "als ob": Man trifft den ganzen Menschen, mit der eigenen Stimme, mit dem eigenen Aussehen, mit Macken und Liebenswürdig-keiten, mit allem, was zu einem gehört. Jeder Mensch möchte das Gefühl haben, dazu zu gehören.

Ich denke jetzt an eine ehemalige Klientin, eine junge alleinerziehende Mutter. Sie geht nur aus dem Haus, wenn sie absolut muss: "Ich finde es viel angenehmer im Chatroom. Hier kann ich so tun, als ob ich ok bin, hier kann ich flirten und Witze machen. Wenn ich auf dem realen Spielplatz draussen bin, fühle ich mich minder-wertig, weil ich so zugenommen habe, weil ich mich mit den Kindern überfordert fühle, weil die anderen Mütter alles so viel besser können als ich. Das kann ich doch nicht zugeben!"
- Wie sehr wünsche ich dieser jungen Frau, dass sie den Mut gewinnen könnte, wieder sie selber zu sein. Vielleicht findet sie mit der Zeit einen Weg zurück in die Gemeinschaft, ich wünsche es ihr sehr. 

Fazit: Das Internet ist hilfreich, deshalb sollten wir es unbedingt nutzen, aber vielleicht kontrollierter. Wir sollten darauf achten, im Alltag auch echte und nicht ausschliesslich virtuell vermittelte Begegnungen zu machen.  

Sonntag, 1. Juli 2012

Beratung

Wenn es um Beratung, Coaching, Therapie usw. geht, haben all diese Begriffe etwas gemeinsam: es sind mindestens zwei Personen anwesend, oft mehr als zwei. Nicht zwei Situationen sind gleich und doch gibt es Gemeinsamkeiten. Am Freitag, 22. Juni 2012, fand an der PH Rorschach ein Tagesseminar statt zum Thema Beratung und Coaching im Rahmen des CAS Zertifikationslehrgangs Informatikverantwortliche an der Volksschule. Bei den Informatikspezialisten wird die Beratung oft pädagogischer Support genannt.
Egal, welche Thematik im Zentrum der Beratung steht, es geht im Kern oft um ähnliche Prozesse: Die ratsuchende Person will etwas im Leben oder im Alltag verändert haben. Wenn es um berufliche Veränderungen geht, geschieht dies nicht selten unfreiwillig (Müssen statt Wollen).

Der gute Berater geht in der Regel zuerst auf die Beziehungsebene zum Ratsuchenden, bevor das Hauptanliegen, die Sachebene, thematisiert wird. Es braucht erst eine tragende Beziehung, eine Art Begegnungsraum, bevor Ziele besprochen werden oder erste Schritte erprobt werden können. Vielleicht müssen erst neues Wissen oder Fähigkeiten erarbeitet werden, bevor das eigentliche Umsetzen der ersten Schritte überhaupt möglich ist. D.h. die Rolle des Beraters ist umfassend und komplex.
Mich hat es beeindruckt, wie die Teilnehmenden des CAS-Kurses auch komplexeste Aufgaben souverän angegangen sind. Das breite Wissen im Bereich der Informatik ist dauernd in Veränderung, immer gilt es etwas Neues zu beherrschen, man hat auf diesem Fachgebiet eindeutig nie ausgelernt. Der Mensch mit seinen Schwächen und Stärken, Gedanken und Gefühlen, verändert sich nicht gleich schnell wie die Welt der Informatik. Das zwischenmenschliche Element als versehentlicher Stolperstein bleibt erhalten. Jeder von uns hat eine Lerngeschichte, also positive und negative Erfahrungen, die oft prägend für das ganze Leben sind. Wie gut, wenn ein Berater wohlwollend, empathisch und verständnisvoll auch dies zu berücksichtigen weiss. Wie viel schneller fühlt sich eine Person verstanden und ist dann entsprechend offen für Neues. Wer sich mit der eigenen Lebens- und Lerngeschichte auseinandersetzt, kann sich entsprechend oft besser auf die Geschichten des Gegenübers einlassen.

Hierzu kann es sich lohnen, das spannende Buch von Friedemann Schulz von Thun, Miteinander Reden 3 zu lesen. Das sogenannt "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation werden auf humorvolle Art vorgestellt. Die Kommunikation kann so stimmiger und angenehmer werden.