Freitag, 6. Juli 2012

Wer holt was in erholsamen Ferien?

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Vor einiger Zeit war ein Paar bei mir in der Praxis. Sie planten gerade ihre Ferien und wussten beide, sie wollten es anders haben als letztes Jahr.
Letztes Jahr waren die Ferien wie folgt verlaufen:
Sie wollten mit den Kindern campen gehen. Sie besprachen im Voraus, dass sie alle frei haben, dass sie etwas anderes als im Alltag erleben, dass sie ungezwungen und spontan sein, und dass sie tolerant und freundlich miteinander umgehen wollten. Alle waren einverstanden. 
Sie versuchten dann all dies umzusetzen. Nur, sie hatten nicht im voraus besprochen, wer Lebensmittel einkaufen sollte, jeweils Frühstück zubereiten, den Inhalt des Tagesrucksacks vorbereiten und auch packen, usw. Als die Frau realisierte, dass sie 100% Mutter und Tagesorganisatorin sein musste, weil es sonst niemand machte, wurde sie verständlicherweise zunehmend sauer. Sogar wenn sie zusammen an den Strand gingen, war der Mann schon längst im Wasser, bevor sie überhaupt fertig war (Kinder eincremen, Strandtücher verteilen, Stachel aus Fusssohle entfernen...). Sie wollte keine Ferien, die nur an einem anderen Ort stattfanden, aber sonst genau gleich waren wie zu Hause. Ihr Mann brachte zunächst kein Verständnis für ihr Klagen auf. Er setzte für sich um, was sie vor den Ferien besprochen hatten. Er ging biken und Tennis spielen. Und dies mit bestem Gewissen, gerade weil sie es besprochen hatten! Nach einer weiteren  Auseinandersetzung vereinbarten sie, abwechslungsweise die Tagesverantwortung zu übernehmen. Die Frau war glücklich. Sie machte für sich einen halben Lesetag in der Hängematte und ging dann ins nahe gelegenen Städtchen eine kleine Entdeckungstour machen. 
Am Abend dann erfuhr sie von den vergessenen Wasserflaschen, von Tochters Sonnenhut, der weg war, stattdessen war ein heftiger Sonnenbrand da. In der Nacht darauf waren sie oft wach. Der Mann machte ihr Vorwürfe. Sie hätte doch alles parat legen können. Sie hätte ihm doch erklären können, dass er die Kinder mehr als einmal eincremen sollte, dass er das Essen hätte mitnehmen müssen, weil kein Kiosk weit und breit! Jetzt waren beide sauer. 

Was hätten die Beiden anders tun sollen? Vereinbarungen treffen ist wichtig, aber sie müssen konkreter sein, als es unser Beispielpaar gemacht hat. Im Alltag ist das meiste eingespielt, in den Ferien dagegen herrscht oft eine Art Ausnahmezustand; hinzu kommt, dass die Erwartungen an die Erholungszeit zu hoch sind. Umso wichtiger können konkrete Regeln und Listen sein, gerade für den Elternteil, der im Alltag nicht die Hauptverantwortung trägt. Eine Checkliste für den Tagesrucksack oder die Strandtasche kann viel Ungemach vorbeugen. 
Für Mann und Frau heisst es ebenfalls sich gegenseitig Freiräume zu gewähren, gerade wenn die Vorstellungen von der Feriengestaltung unterschiedlich sind.

Muss auch wirklich alles perfekt sein? Vielleicht sieht der Frühstückstisch in der Ferienwohnung anders aus, wenn ihn ein anderes Familienmitglied als im Alltag vorbereitet? Es kann nützlich sein, hin und wieder die unterschiedliche Art und Weise von Ordnung und Auswahl, Prioritäten etc. auszuhalten. (Dies gilt übrigens auch für den Alltag zu Hause).

Auch können die wichtigen W-Fragewörter sehr wertvoll sein: Wer möchte was tun? Wann? Wo? Mit Wem? Wie lange? Fragen stellen heisst auch interessiert zu sein. Je mehr Information fliesst, umso seltener werden Missverständnisse und Enttäuschungen. 

Viel Glück und schöne Ferien!

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