Sonntag, 31. Juli 2011

Ferien = Erholungszeit?

Momentan ist viel zu erfahren über das ganze Elend auf der Welt. Über Libyen hören wir momentan weniger, dafür war letzte Woche die Katastrophe von Oslo im Fokus unserer Aufmerksamkeit. Die Hungersnot in Afrika macht nachdenklich und traurig. Die ganze Finanzkrise macht viele ohnmächtig, andere eher wütend.
Krieg, unberechenbare Amokläufe, schwindendes Geld, Hungersnot etc.  - irgendwann kann es genug an Negativinformation werden. Der Mensch braucht auch Pausen und Erholung.
Wir sind mitten in der Ferienzeit. Einige haben sich schon aus dem Alltag ausgeklinkt, andere freuen sich auf den Unterbruch des Alltäglichen, auf Reisen vielleicht, oder schlicht auf dolce far niente unter einem Baum oder am Strand.  
Wie kommt es, dass Ferien dann nicht immer als erholsam erlebt werden, sondern auch enttäuschend oder stressig werden? Genau das Umgekehrte von dem, was erhofft und geplant wurde?

Hin und wieder kommt dies als Thema in meiner Praxis vor. "Wir haben uns so auf unsere Ferien gefreut, aber dann haben wir uns nur gestritten!" Beim genauer Hinhören ist es nicht selten der Fall, dass Wünsche und Erwartungen versehentlich nicht konkret ausgesprochen wurden. Wenn ein Paar oder auch Eltern mit Kindern die Ferien planen, hoffen und wünschen sich alle in der Regel Freiraum und nicht, zu viele Regeln und Abmachungen befolgen zu müssen. Und genau hier entstehen oft die Fallen. Wenn der eine Elternteil plötzlich realisiert, dass er oder sie alleine zuständig ist für das Essen, die Kleidung, den Tagesrucksack, den Busfahrplan, die Sonnencreme, die Trinkflasche etc. - dann fängt es irgendwann an zu brodeln. Anstelle von den günstigeren Ich-Botschaften fallen dann öfters vorwurfsvolle Du-Botschaften sowie verallgemeinernden Aussagen wie z.B. "Immer muss ich ..., nie machst du ...!" Auch wenn viele finden, dass im normalen Alltag genug Regeln gelten, können solche in den Ferien erst recht hilfreich sein. Im Alltag ist sehr vieles einfach und läuft automatisch, weil die Gewohnheiten sowie die Tagesabläufe eingespielt sind. In der Ferienzeit halten wir  Menschen uns oft in einer anderen Umgebung auf, die Uhrzeiten sind weniger wichtig und die Tätigkeiten sind anders. Wer wünscht was? Wer will was und wann? Was ist ähnlich, was verschieden? Was will eine Familie, ein Paar, gemeinsam erleben? Wäre es je nach dem sinnvoll, getrennt Unterschiedliches zu erleben? All dies im voraus zu besprechen, kann hilfreich sein.

Für Paare gibt es fünf nützlicheLiebesformeln, die dem Zusammenhalt guttun können, (nachzulesen im Buch Die Liebe und wie sich Leidenschaft erklärt):
1. Zuwendung: sich dem Partner zuwenden und sich gegenseitig unterstützen
2. Wir-Gefühl: sich füreinander interessieren, wissen wollen, wie es dem anderen geht, aufmerksam sein. Es kann hilfreich sein, nicht alles aus der Ich-Sicht zu betrachten, sondern hin und wieder aus der Wir-Sicht.
3. Akzeptanz: üben und lernen umzugehen mit der Tatsache, dass wir verschieden sind. Wer den Partner akzeptieren kann, wird weniger enttäuscht und unzufrieden sein.
4. Positive Illusionen: öfters die Vorzüge, Fähigkeiten und guten Eigenschaften des Partners in den Vordergrund setzen. Dies heisst nicht, dass Schwächen nicht mehr erkannt werden dürfen, aber da Kritik schneller ausgesprochen wird als ein Kompliment und eine Würdigung, kann es hilfreich sein ab und zu die Stärken zu betonen. 
5. Aufregung im Alltag: die Routine im Alltag spielt sich irgendwann ein. Abwechslung kann auch hier Anregung und Belebung bedeuten. Es kann Wunder wirken, dies nicht nur in den Ferien zu berücksichtigen!

Gute Erholung!

Samstag, 23. Juli 2011

Oslo: Darf man Unerträgliches entschuldigen?

Gestern war ein schlimmer Tag in Norwegen. Zwei entsetzliche Attentate, in Oslo und auf der Insel Utøya. So unerträglich viele Verletzte und Tote. Das ganze macht sprachlos, es ist für die meisten von uns fast nicht möglich einzuordnen, geschweige denn zu verstehen.
Psychologen und weitere Fachleute können zwar Theorien, mögliche Erklärungen, Psychogramme sowie Hintergrundwissen zu eventuellen psychischen Störungen und Krankheitsbildern formulieren. Einen möglichen Hintergrund zu einem solchen Geschehen erläutern, ist das eine. Erklären und verstehen bedeuten andererseits jedoch nicht, dass ein unmenschliches Verhalten entschuldigt werden soll. Auch wenn ein Täter früher im Leben selber Unrecht erfahren hat, heisst dies nicht, dass er Leid und Unrecht weitergeben darf. Für seine Taten und Untaten ist er alleine verantwortlich. Wer denn sonst?

Donnerstag, 21. Juli 2011

Licht und Schatten

Henri Cartier-Bresson
wipe60fotokunst.blogspot.com
Licht und Schatten - und alles was es dazwischen gibt: Linien, Formen, Bewegung und der Stillstand der Momentaufnahme. Im Museum für Gestaltung in Zürich werden momentan Fotos von Henri Cartier-Bresson gezeigt. Er selber fand, fotografieren sei keine Kunst, sondern er müsse nur seinen Impulsen im entscheidenden Moment folgen und reagieren. Etwas erzwingen sei nicht möglich, Spontaneität sei gefragt. 

Wäre das Licht überhaupt erkennbar ohne seinen Schatten? Wo Schatten ist, ist auch Licht. Beides gehört zum Leben. Das Leben findet statt in der Gegenwart des Momentes.

Dienstag, 19. Juli 2011

Glücksmoment

Glücksmoment - 19.7.2011
Unterwegs... Ich habe zu tun. Mein Knie tut ein bisschen weh, die Pendenzenliste des Tages spult durch meinen Kopf, ich sollte unbedingt daran denken, dieses und jenes noch zu erledigen. Dann plötzlich diese Begegnung! Mit meiner Handy-Kamera schleiche ich mich vorsichtig an den schönen Schmetterling an, "bitte ruhig sitzen bleiben, ich bin es nur!" Und der schöne Schwalbenschwanz scheint zu verstehen, bleibt gelassen auf dem Blumen-kissen in seinem Hier & Jetzt sitzen.

So schnell kann sich eine Pendenzenliste auflösen.
Tut irgendetwas weh? Nicht das ich wüsste.

Freitag, 15. Juli 2011

Herz und Bauch

Ziele verfolgen, motiviert sein und Freude haben, wenn etwas gelingt oder erreicht wird. Sich bestätigt fühlen, auch stolz sein dürfen, Würdigung erfahren (von sich selber und von anderen), sind häufig wichtige Bestandteile für einen positiv erfüllten Alltag.

Die Turnerin Ariella Käslin ist mit ihren 23 Jahren noch jung, trotzdem gehört sie schon zu den Alten in ihrem Sportbereich. Nach fast 20 Jahren im Turnsport hört sie nun auf, siehe Sportteil des Tagesanzeigers von heute. Sie muss niemanden mehr beweisen, dass sie Talent, Wille und Biss hat. Im Interview zeigt sie auf, wie sie sich selber natürlich und selbstverständlich würdigen kann. Auch betont sie, wie wichtig es für sie war schlussendlich, auf ihr Herz- und Bauchgefühl zu hören:
"Dort (in Magglingen) habe sie sich von den Strapazen erholt – aber vor allem die Gelegenheit genutzt, «die Karriere aus der Distanz zu betrachten». Dabei erkannte sie, «dass das eine Karriere aus dem Bilderbuch war». Oder gar: «Die beste Karriere, die ich mir vorstellen konnte.» In der Kürzestform: «Wow!»
Es ist die Schinderei in der Turnhalle, Woche für Woche über 30 Stunden, die sie nicht mehr braucht. Zu dieser Erkenntnis zu gelangen, sei gleichwohl ein langer und schwieriger Prozess gewesen, sagt sie. Doch als sie sich schliesslich überwunden habe, das auszusprechen, was ihr Herz und Bauch längst empfohlen hatten, geschah dies: «Da fiel mir ein Stein vom Herzen.»"
Ziele wollen verfolgt werden, aber hin und wieder gibt es Richtungswechsel. Das Richtige tun, solange es richtig ist, jedoch wagen, einen neuen Weg einzuschlagen, wenn es hierfür Zeit ist. Ziele verändern sich manchmal unterwegs. Oft wissen Herz und Bauch Bescheid, bevor der Kopf soweit ist.

Montag, 11. Juli 2011

Schein und Sein

Bettina Weber, Journalistin beim Tages-Anzeiger in Zürich, schreibt immer wieder interessante Artikel u.a. über  Geschlechterthemen, Frauen in der Gesellschaft und in der Welt. Am Freitag, 8. Juli 2011, waren zwei Artikel von ihr zu lesen:
Sie thematisiert, wie die weiblichen Angestellten bei Harrods in London zu einem strengen Dresscode inklusive Schminkzwang verdonnert werden. Auch die UBS Schweiz erwartet ein gepflegtes Aeusseres bei allen Angestellten, bei Frauen scheinbar, weil sie dadurch kompetenter wirken.

Im Artikel Generation XY beschreibt sie, dass 160 Millionen Frauen in China, Indien und weiteren asiatischen Staaten fehlen würden, da die weiblichen Föten häufig abgetrieben werden.

Im Tages-Anzeiger Online ist es gerade deshalb interessant zu erfahren, wie die Kommentare zu diesen beiden Themen verteilt sind: per heute waren es 25 zum Thema Schminkzwang und 10 zum Thema Generation XY.

Mittwoch, 6. Juli 2011

Gerechtigkeit im Alltag

In regelmässigen Abständen kommt dieses Thema in den Beratungssitzungen auf. Es gibt Arbeit zu erledigen: im Alltag, in der Familie, im Haushalt, im Garten etc., aber wer soll, will oder muss diese nun übernehmen? Eine faire Aufteilung der praktischen Alltagsarbeit in der Familie oder Betreuungsaufgaben für Kinder oder ältere Verwandte scheint nicht immer möglich oder machbar.

Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann EBG meint auf ihrer Homepage hierzu:
In unserer Gesellschaft übernehmen Familien einen grossen Teil der sogenannten Care-Arbeit. Die Betreuung und Pflege von Kindern und kranken Angehörigen bildet eine wichtige Grundlage unseres Zusammenlebens. Sie schafft eine der Voraussetzungen für eine funktionierende Wirtschaft und prägt unseren Alltag und unsere Lebensqualität. Noch ist Care-Arbeit in unserer Gesellschaft zu wenig anerkannt und abgesichert.

Fast ein Fünftel aller in der Schweiz geleisteten Arbeit − d.h. rund 2.8 Mia. Arbeitsstunden − wird für Care-Arbeit aufgewendet. 80% davon ist unbezahlte Betreuungsarbeit für Kinder und pflegebedürftige Erwachsene in Familien. Ein überwiegender Teil davon (über 90%) entfällt auf die Kinderbetreuung. Berechnet man den Wert der unbezahlten Care-Arbeit, so ergeben sich dafür Kosten von jährlich über 80 Milliarden Franken.

Insgesamt leisten Frauen und Männer im erwerbsfähigen Alter etwa gleich viel Arbeit pro Woche, nämlich 53 Stunden. Die Anteile der bezahlten respektive unbezahlten Arbeit unterscheiden sich jedoch deutlich. Während Männer unabhängig von der Familiensituation fast vollzeitlich erwerbstätig sind, ist bei Frauen der Anteil der Erwerbsarbeit generell niedriger und variiert je nach Familiensituation stark.
Das EBG hat hierzu eine Arbeitsbroschüre mit dem Namen Fairplay-at-home.ch entwickelt. Diese kann Mann oder Frau im Internet herunterladen und ausdrucken. Sie soll als Anstoss dienen, damit erkannt werden kann, wer wieviel wovon eigentlich macht. Sie dient auch als Anregung für die Zukunftsplanung: Was will oder muss oder sollte verändert werden? (vgl. Blogeintrag vom 25. Juni 2011) (Siehe auch Fairplay-at-work.ch)

Ja, es gibt Arbeit zu erledigen. Das Perfide an der Hausarbeit ist jedoch, dass das Resultat oft gerade dann nicht mehr erkannt wird, wenn die Arbeit erledigt ist! Die verdiente Anerkennung, das Dankeschön sowie die Freude über das Erledigte dürften öfters erwähnt werden!

Montag, 4. Juli 2011

Kunst und Dialog - Entdecken und Kennenlernen


Brancusi, Muse endormie, 1910
Die Ausstellung zu Constantin Brancusi und Richard Serra ist momentan in der Fondation Beyeler in Basel zu bewundern. Die entgegen-gesetzten Ausdrucksformen der beiden Künstler ergänzen und fordern einander heraus. Auf der einen Seite feinste Formen und Linien, auf der anderen Seite Schweres und Wuchtiges, das trotz allem leicht erscheint.

In der Einführung des Saaltextes ist zu lesen: "Serra äusserte sich kürzlich zu Brancusis Kunst wie folgt: 'Ich schaute auf sein Werk wie in ein Handbuch künstlerischer Möglichkeiten' - und als eine Summe von Möglichkeiten soll auch der in dieser Ausstellung entfaltete Dialog verstanden werden."

Ist es nicht u.a. das, was wir Menschen zwischenmenschlich sowie mitmenschlich uns eigentlich wünschen? Im Dialog sein können? Lernen sowie kennenlernen? Das Gegenüber, das Du, erkennen? In der systemischen Denkweise wird auch Aristoteles Aussage hochgehalten: "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile".

Wie wunderbar, dass es hier weder richtig noch falsch gibt, sondern schlicht unendlich viele Möglichkeiten. Ist es nicht wunderbar, wenn wir auf Kunst treffen, die einem berühren darf? Ist es nicht wunderbar, wenn wir auf Menschen treffen, die uns berühren, die mitbewirken, dass wir am Gegenüber uns selber weiterentdecken dürfen?

PS. ...natürlich denken wir auch bei Ich und Du und Dialog sofort an das Dialogische Prinzip von Martin Buber!