Immer wieder höre ich die ähnlich traurig erstaunte
Enttäuschung, sowohl in der Praxis wie auch im Freundeskreis: Was ist passiert,
dass es für viele Mitmenschen so schwierig geworden ist, die „Zauberwörter“
Danke, Entschuldigung, Äxgüsi, Grüezi, Merci, Tut mir leid, Guten Morgen usw. auszusprechen,
ja überhaupt daran zu denken, dass diese Worte Wunder wirken können.
Jemand lädt zum Fest ein und die wenigsten halten sich
an die Anmeldefrist, geschweige denn sagen auch Danke für die grosse Mühe oder
überhaupt danke dafür, dass sie mitfeiern und geniessen durften.
Jemand muss ins Spital, und keine Arbeitskollegen
erkundigen sich, wie es dem erkrankten Kollegen geht. Auch der Chef schickt
keine Genesungs-wünsche in die Reha.
Jemand stellt eine Rechnung für eine Dienstleistung
aus. Diese wird ohne Entschuldigung und Erklärung erst Wochen und Monate nach
der Frist beglichen, wenn überhaupt...
Jemand sucht sorgfältig ein Geschenk aus oder sendet
einen Kartengruss zum Geburtstag. Wenn keine Reaktion kommt, entsteht zuerst
die Sorge, ob der Empfänger überhaupt etwas erhalten hat. Beim vorsichtigen
Nachfragen wird erstaunt bestätigt, dass die Post selbstverständlich schon da
ist. Die Enttäuschung der Gebenden ist die Ernte.
Und so weiter und so fort.
Auch in der neusten Ausgabe Nr. 27 der Coopzeitung unter
der Rubrik „Lebensberatung“ taucht diese Frage auf. Die Beraterin relativiert
das Problem und meint, es könnte mit geringem Selbstwertgefühl des Gegenübers
zu tun haben, wenn die höfliche Reaktion fehlt.
Egal, womit es zu tun hat, ich denke, wer verletzt und
enttäuscht ist, darf und sollte dies
unbedingt ansprechen. Mit den berühmten Ich-Botschaften lässt sich zuerst mit
der Selbstoffenbarung (z.B.: „Ich fühle
mich verletzt, wenn du ….. unterlässt / nichts sagst / keine Reaktion zeigst“)
gefolgt von einem Verhaltenswunsch (z.B. „Ich
würde mich freuen, wenn ich eine persönliche Reaktion bekomme / wenn du absagen
würdest, anstelle von nur Fernbleiben“). Ob dieser Wunsch in Zukunft befolgt wird, ist nicht
garantiert. Die Verletzung ist aber mitgeteilt, der Ball ist nun bei der
Person, die tatsächlich etwas besser machen könnte. Wenn sie es (lernen) will.
Es bleibt die Wahl: Welches Verhalten wollen wir
ertragen? Was lassen wir zu? Fühle ich mich wohl dabei? Falls ich unzufrieden
bin, bleibt mir entweder das Ansprechen oder das Seinlassen.
Wir haben die Wahl!